Vielen Dank an CLARE NICHOLSON, spezialisierte klinische Ergotherapeutin am NATIONAL HOSPITAL for NEUROLOGY and NEUROSURGERY, LONDON, für die Bereitstellung dieser Seite. Clare erklärt, wie sie die Ergotherapie bei der multidisziplinären Behandlung von Patienten mit funktionellen neurologischen Störungen einsetzt.(aktualisiert Januar 2020) Im Juli 2020 war Clare federführend an der Veröffentlichung von Konsensusempfehlungen für Ergotherapie im Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry beteiligt. Sie können den Artikel hier als PDF herunterladen.
Das Hauptziel der Ergotherapie (engl.: occupational therapy) ist es, die Menschen in die Lage zu versetzen, an den täglichen Aktivitäten teilzunehmen, die sie ausführen müssen, wollen oder von denen sie erwarten, dass sie ausgeführt werden. Der Begriff “occupational“ (Beruf) in der Ergotherapie bezieht sich nicht nur auf bezahlte Arbeit, sondern auch auf alle anderen täglichen Aktivitäten, z. B. Waschen und Anziehen, Zubereitung von Mahlzeiten, Hausarbeit, Kinderbetreuung, Freizeitaktivitäten, Einkaufen, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und vieles mehr. Ergotherapeuten können Menschen mit Bewegungsproblemen helfen (ähnlich wie in der Physiotherapie), aber auch bei Symptomen wie Müdigkeit, Schmerzen, dissoziativen Anfällen, kognitiven Schwierigkeiten, geringem Selbstvertrauen, Angst und schlechter Stimmung, um nur einige zu nennen. Ergotherapeuten arbeiten mit Menschen mit FNS zusammen, um die Auswirkungen der Symptome auf die Fähigkeit zur Durchführung alltäglicher Aktivitäten zu ermitteln. Die Behandlung richtet sich nach den Zielen, die sich der Betroffene selbst gesetzt hat. Die Person mit FNS arbeitet dann gemeinsam mit ihrer Ergotherapeutin an der Entwicklung von Strategien zur Überwindung von Hindernissen für die Teilhabe, zur Verbesserung der Fähigkeiten, der Unabhängigkeit und des Selbstvertrauens.
Das Setzen von Zielen ist ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation bei FND. Ergotherapeuten können den Betroffenen helfen, realistische und erreichbare Ziele zu setzen. Sorgfältig abgestufte Ziele können den Betroffenen helfen, Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten aufzubauen und schneller Fortschritte zu machen.
Ein Beispielformat:
Schritt eins:
Identifizieren Sie Ihre Ziele und schreiben Sie sie auf. Es kann hilfreich sein, sich sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele zu setzen, z. B. Ziele für eine Woche, 1, 3, 6, 9 oder 12 Monate. Andere ziehen es vor, sich Ziele mit flexiblen Zeitrahmen zu setzen – probieren Sie aus, was für Sie am besten funktioniert!
Zweiter Schritt:
Gliedern Sie die Schritte zur Erreichung jedes Ihrer Ziele auf. Diese Schritte sollten realistisch und abgestuft sein, d. h. setzen Sie die Messlatte nicht zu hoch an, denn unerreichbare Ziele können zu Frustration führen, Ängste auslösen und Ihr Selbstvertrauen schwächen.
Dritter Schritt:
Bringen Sie die Ziele an einem Ort an, an dem Sie regelmäßig darauf Bezug nehmen können, z. B. am Kühlschrank oder in einem Arbeitsbuch, das Sie häufig benutzen.
Vierter Schritt:
Sprechen Sie mit den wichtigen Menschen in Ihrem Leben über Ihre Ziele, damit sie Sie unterstützen können.
Schritt Fünf:
Streichen Sie Ihre Ziele jedes Mal ab, wenn Sie das Gefühl haben, sie erreicht zu haben, und gehen Sie dann weiter. Behalten Sie die erreichten Ziele als Anhaltspunkt für Ihren Fortschritt.
Zuversicht ist der Schlüssel! Gehen Sie nicht weiter, bevor Sie nicht mit jedem Schritt Ihr Selbstvertrauen gestärkt haben. Dieser abgestufte Ansatz kann für jedes Ziel, das Sie sich setzen, verwendet werden.
Hinweis: Denken Sie auch daran, dass funktionelle Symptome in der Regel zu- und abnehmen und dass Sie eher zu einer Verschlimmerung der Symptome neigen, wenn Sie unter körperlichem oder emotionalem Stress stehen. Wenn Sie feststellen, dass sich Ihre Funktion gelegentlich verschlechtert, sollten Sie nicht mutlos werden. Eine abgestufte Zielsetzung kann Ihnen helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Gehen Sie ein paar Schritte zurück (unter Verwendung der Schritte, die Sie zuvor abgearbeitet haben) und steigern Sie Ihre Aktivität allmählich wieder.
… Ergotherapeuten können Menschen dabei helfen, realistische und erreichbare Ziele zu setzen. …
… Ermüdung und Schmerzmanagement sind ein zentrales Element der ergotherapeutischen Behandlung von Menschen mit funktionellen neurologischen Störungen. …
… Ergotherapeutinnen sind in der Lage, bei Fragen zu Arbeit, Studium und freiwilliger Beschäftigung zu helfen …
Bild: Eine ergotherapeutische Sitzung in der Küche
Die Behandlung von Müdigkeit und Schmerzen ist ein zentrales Element der ergotherapeutischen Behandlung von Menschen mit funktionellen neurologischen Störungen. Dies wird oft als “Pacing Education” bezeichnet. Ergotherapeuten unterstützen die Betroffenen dabei, Auslöser für Schmerzen und Müdigkeit zu erkennen und zu bewältigen, z. B. ein hohes Aktivitätsniveau, schlechte Schlafhygiene, ungünstige Körperhaltungen, geringes Engagement bei der Selbstpflege (Körperpflege, gesunde Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Bewegung).
Abgestuftes Üben von Aufgaben (bei alltäglichen Aktivitäten) unter Anwendung des Arbeits-/Ruheprinzips bei gleichzeitiger Integration anderer unterrichteter Techniken zur Symptombehandlung (z. B. normale Bewegung, Entspannungsstrategien) ist ebenfalls ein wesentliches Merkmal der Ergotherapie bei FNS (und ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung von Schmerzen und Müdigkeit).
Ergotherapeuten arbeiten mit Psychotherapeuten zusammen, um Menschen mit FNS bei der Bewältigung von Stress, schlechter Stimmung, geringer Motivation und Ängsten zu unterstützen. Folgende Dinge sind dabei hilfreich:
– Verbesserung der Selbstwahrnehmung der Anzeichen und Symptome von Stress / Angst (z. B. Schwitzen, Herzrasen, Wackelbeine).
– Erkennen, welche Situationen/Aktivitäten die Person als stressig oder schwierig empfindet und warum dies so sein könnte.
– Erkundung von Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken. Integration dieser Strategien in tägliche Aktivitäten und Tagesabläufe.
– Unterstützte, abgestufte Exposition gegenüber schwierigen oder stressigen Aufgaben/Situationen, z. B. die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unter Anwendung der erlernten Techniken zur Symptomkontrolle.
– Wiederherstellung eines beruflichen Gleichgewichts im täglichen Leben zur Verbesserung der Stressresistenz. – Unterstützung von Menschen mit FNS bei der Wiedererlangung ihrer beruflichen Identität – Wiedererlangung des Gefühls “Ich kann”, Abbau von Gründen für die Vermeidung bestimmter Aktivitäten und Ermutigung zur positiven Risikobereitschaft.
FNS kann den Verbleib im Beruf/Studium oder die Rückkehr in den Beruf/Studium nach einer Krankheitsphase sehr schwierig machen. Die Menschen am Arbeitsplatz/an der Universität haben wahrscheinlich nur ein begrenztes Verständnis für die Probleme, mit denen Menschen mit FNS konfrontiert sind, und in der Tat können einige Symptome “versteckt” sein, z. B. Müdigkeit, und sind daher oft schwer zu erklären. Ergotherapeutinnen sind in der Lage, bei diesen Problemen zu helfen. Sie können dies tun durch:
– Sie können dabei helfen, herauszufinden, wie sich die Symptome auf die Fähigkeit auswirken, ein Studium, eine bezahlte oder ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben.
– Unterstützung bei der Integration von erlernten Symptom-Management-Strategien in die Arbeitsaufgaben / das Arbeitsumfeld.
– Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern oder Bildungsanbietern hinsichtlich der Auswirkungen der Symptome und der Frage, wie die Person in ihrer Rolle am besten unterstützt werden kann.
– Beratung über angemessene Anpassungen, z. B. alternative Arbeitsmuster, Änderungen der Arbeitsaufgaben, verlängerte Abgabetermine für Aufgaben, verlängerte Zeit für Prüfungen. – Beratung zu Unterstützungsmöglichkeiten, z. B. um die Finanzierung von Taxifahrten zur und von der Arbeit zu erleichtern (um die Müdigkeit besser in den Griff zu bekommen).
Ergotherapeuten stellen manchmal Mobilitätshilfen (z. B. Rollstühle) sowie andere adaptive Hilfsmittel und Umgebungsänderungen (z. B. Schienen und Rampen) zur Verfügung. Die Bereitstellung von Hilfsmitteln ist ein komplexes Thema. Viele Menschen mit FND haben die Erfahrung gemacht, dass ihnen gesagt wurde, sie dürften keine Hilfsmittel benutzen. Der Grund dafür ist die weit verbreitete Meinung, dass Hilfsmittel die Art und Weise, wie wir uns bewegen, nachteilig verändern und somit Verbesserungen verhindern oder verzögern können. Außerdem verursachen Hilfsmittel oft sekundäre Probleme wie Gelenkschmerzen und Muskelabbau. Daher ist es in den meisten Fällen besser, unnötige Hilfsmittel zu vermeiden, vor allem, wenn die Symptome gerade erst aufgetreten sind. Rehabilitation kann hilfreich sein und den Bedarf an Hilfsmitteln und Anpassungen verringern, ist aber oft schwer zugänglich. Anders verhält es sich, wenn eine Person ohne Hilfsmittel Gefahr läuft, Schaden zu nehmen, oder wenn eine Person nach Abschluss der Behandlung weiterhin unter behindernden Symptomen leidet. In solchen Fällen können die richtigen Hilfsmittel die Unabhängigkeit und Lebensqualität verbessern. Wir empfehlen, bei der Verwendung von Hilfsmitteln den gesunden Menschenverstand walten zu lassen und sich von einem Ergotherapeuten beraten zu lassen, der sich mit FNS auskennt.
Ergotherapeuten können auch helfen, indem sie Ratschläge zur Bewältigung des Pflegebedarfs (informell, d. h. durch Familienangehörige oder formell, d. h. durch Sozialdienste) geben. Eine Rehabilitationsmaßnahme mit einem Ergotherapeuten kann ebenfalls dazu beitragen, die Unabhängigkeit zu verbessern und somit den Pflegebedarf im Laufe der Zeit zu verringern. Wir sind uns zwar bewusst, dass die Inanspruchnahme von Pflegekräften in einigen Fällen unerlässlich und angemessen sein kann, doch kann die dauerhafte Inanspruchnahme von Pflegekräften Folgendes bewirken:
– Vermindertes Selbstvertrauen
– Abnehmende Fitness und Kondition
– Abnehmende Unabhängigkeit – Wenn wichtige Bezugspersonen die Pflege übernehmen, kann sich dies auch negativ auf die Beziehungen auswirken
Ergotherapeuten ermutigen und unterstützen daher Menschen mit FNS, ihre täglichen Aufgaben auf normale Art und Weise zu bewältigen und dabei weniger auf Hilfsmittel und die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Dies dient der Förderung der Unabhängigkeit sowie der Möglichkeiten zur Rehabilitation und Genesung. Auf diese Weise ermutigen Ergotherapeuten die Menschen, die Teilnahme an allen täglichen Aktivitäten als eine Form der Rehabilitation zu betrachten, da die Teilnahme dazu beiträgt, funktionelle Stärke, Ausdauer und Selbstvertrauen aufzubauen. Die Beschäftigungstherapie kann außerhalb des Krankenhauses stattfinden, um bei der Bewältigung von Situationen wie öffentlichen Verkehrsmitteln zu helfen.
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